Seit 2009 gebe ich Seminare. Seit 2009 überlege ich regelmäßig, ob ich es wieder aufgeben sollte. Denn es ist einfach ziemlich anstrengend auf mehreren Ebenen: Man setzt sich seinen Ängsten aus, muss viel vorbereiten – in der Regel allein und ist am Ende abhängig von der Resonanz der Teilnehmenden. Wer kann schon vorher sagen, ob das Seminar für Begeisterung sorgen wird? Irgendwie stresst mich die Rolle der Seminarleiterin, die auf alles eine Antwort hat und ein absolut zufriedenstellendes Seminarangebot stricken kann.
Und so setzte ich mich beständig mit den Ängsten, der Scham und der Wut darüber, dass ich das verfluchte Lampenfieber einfach nicht verliere, auseinander. Aber meine Liebe zum Unterrichten und auch die vertiefte Auseinandersetzung mit mir lieb gewonnen Themen hielten mich davor zurück, alles hinzuschmeißen. Es muss doch einen Weg geben, wie ich mit weniger Anstrengung diese Art der Arbeit vollbringen kann.
Vor ein paar Jahren hörte ich einen Vortrag zum Thema Learning Communities. Es verfing offensichtlich nicht, aber das Handout wanderte in meinem Büro von Kiste zu Kiste. Als ich mein Büro wechselte, schaffte es dieses Stück Papier irgendwie auf meinen Schreibtisch. Zwar hatte ich dafür keine Verwendung, aber so richtig wegschmeißen wollte ich es auch nicht.
Und dann stellte sich mir die Frage: Okay, was sind eigentlich Learning Communities?
In meiner Vorstellung treffen sich Menschen, um miteinander zu lernen. Es gibt eine Moderation, die Struktur gibt und dokumentiert, die aber keine Verantwortung über die Inhalte übernehmen muss. Für mich entstand ein Bild, dass mich endlich von den Ängsten zu versagen und irgendwas nicht zu wissen befreien könnte. Kann es das wirklich geben? Das beste aus allen Welten?
Nun muss ich dazu sagen, dass meine Seminare keinem Lehrplan folgen müssen. Damit bin ich relativ frei im Format und auch in den Inhalten. Vieles ist davon abhängig, was die Seminarteilnehmenden für Fragen oder Wünsche mitbringen. Außerdem geht es viel um Selbstreflexion und der Frage: Wie geht ihr damit um?
Die Rolle der Moderatorin ist mir vertraut. Da gibt es kurioserweise keine Angst, den Ansprüchen der Teilnehmenden nicht gerecht zu werden. Endlich nicht mehr die Rolle als Expertin, die auf die Frage: „Aber was können wir denn tun??“ auf so manch eine prekäre Fragen keine Antwort hat, weil es oft keine generelle Antwort gibt.
In der Erwachsenenbildung ist es meiner Meinung nach auch ethisch nicht korrekt so zu tun als könnte es auf jede zwischenmenschlichen Fragen immer nur eine Antwort geben. Es ist wohl die Erkenntnis, dass Menschen und Situationen unterschiedlich sind und das Leben einfach viel zu Komplex ist.
Diese Erwartung haben aber so manche Auftraggeber. Wie gehen wir mit schwierigen Situationen und Menschen um? Bitte sagen Sie uns, wie wir nie wieder Konflikte und emotionale Herausforderungen haben können! Die absolute Überforderung – aber lange dachte ich, dass ich einen Zauberstab dabei haben müsste, um die Auftraggeber zufriedenzustellen.
Nun aber zurück zu den Learning Communities. Ich habe es nun zweimal ausprobiert und bin begeistert. Alles, was es dazu braucht ist folgendes:
- Informationsmail vorab, in der auf die Besonderheiten des Formats hingewiesen wird
- Padlet/Board, auf dem die Arbeitsergebnisse festgehalten werden können
- Teilnehmende, die kleine Impulse vorbereiten
- Zeit und Möglichkeit zum Austausch in Kleingruppen und im Plenum
- Schreibutensilien zur schriftlichen Selbstreflexion (oder andere kreative Methoden)
- Ein vertrauensvoller Rahmen, in denen sich die Teilnehmerinnen öffnen können.
- Tagesstruktur
Es geht also im Wesentlichen darum, dass die Teilnehmenden in der Rolle der aktiven Mitgestalter der Veranstaltung werden. Damit nehmen sie Verantwortung über das, was in der begrenzten Zeit passiert. Damit wird auch sichergestellt, dass die Themen für die Teilnehmerinnen relevant sind, weil sie aus der Gruppe kommen.
Dieses Format funktioniert übrigens wunderbar online. Ich kann nur ermutigen, der Gruppe zu vertrauen und Formate auszuprobieren, die zur eigenen Identität passen. Viel zu oft haben wir veraltete Bilder im Kopf, wie Seminare zu laufen haben. Diese Vorstellungen gibt es natürlich auch bei den Teilnehmenden. Aber wenn es gut anmoderiert wird – so ist meine Erfahrung – lassen sich viele auf kreative Formate ein. Nur Mut!